Zurück

Vipassana meets Selfing

Wo und wann geschieht Selfing?

Wann nicht?

Wie entwickelt es sich, wie entsteht dieses getrennte ICH?

Eigentlich fast immer in einer Situation in der ich unsicher bin, als eine Art Referenzpunkt. Ich setze mich dadurch in Beziehung.

Ich kann……..

Ich bin…….

Oft ist das ganz praktisch, manchmal, wenn die Selbstbilder so gar nicht mehr stimmen gibt es Probleme (Ältergeworden, technische Neuerungen, Fertigkeiten, Fähigkeiten usw.)

 

Heute beim Zahnarzt:

Ich habe einen Termin muß warten. Am Tresen sitzt die Sprechstundenhilfe, ich sitze alleine im Wartebereich in ihrem Blickfeld.

In Corona-Zeiten keine Zeitschriften, Panik, hätte ich doch……

Lesen während des Wartens fühlt sich so sicher an, der hat etwas zu tun, der weiß wo es lang geht (interessiert natürlich keinen),

wow Tricycle, Songlines, Lions Roar der hat Format, ist ein spannender Typ soll meine Lektüreauswahl rüberbringen. Im Wartezimmer greife ich sonst zu Spiegel, Stern.

Alles nicht da. 

Hygieneanweisungen schon 2x durchgelesen.

Nochmal Händewaschen, vielleicht bin ich dann schon dran!?

Jetzt sitze ich da rum und frage mich: Was mache ich mit der Wartezeit?

Meditieren!? Sieht das nicht ein bisschen blöd aus!?

Beim inneren Check-up bekomme ICH auch kein Bild meines aktuellen Geisteszustandes.

Vor-mich-hinstarren, dann denkt die Sprechstundenhilfe was ist das denn für ein Loser.

Objektiv kann man sagen, ihr ist völlig egal was ICH tue. Sie hat Erfahrung mit Wartenden, Legionen von ihnen.

Aber ICH bin unsicher, was wird der Zahnarzt mit meiner abgefallenen Verblendung machen können (Für Praktizierende wäre das doch eigentlich Klasse, eine weggefallene Verblendung, die Ironie entgeht mir nicht).

Diese Unsicherheit steigert mein Bedürfnis jemand zu sein, ich suche Halt, fühle mich unwohl.

Schließlich geht die Tür zum Behandlungsraum auf, ich bin fast erlöst, lieber zahnärztliche Folter als Rumsitzen.

Hätte ich auch einfach nur Warten/Sitzen können? 

Wer hat sich da gequält, und so unnötig…….!?


Selfing ist in meiner Wahrnehmung immer mit Anspannung verbunden.

Das Auflösen dieser Anspannung fühlt sich meistens erleichternd und angenehm an. Energie wird freigesetzt, es passiert etwas. Diese Pendelbewegung, Spannung/Entspannung fühlt sich lebendig an, auch wenn dadurch der Wunsch nach einer erneuten Inkarnation des angespannten Selbstzustandes stark wird.

Sehr verführerisch…….

Leidhaft wird es indem ich z.B. aus dem Kontakt falle, über andere Menschen hinweg gehe oder mich verstecke. Ich verpasse die Möglichkeit durch diese Begegnungen aufzuwachen und mein Potential zu leben.

 


Selfing ist in meiner Erfahrung oft schwer von dem Impuls zu unterscheiden der motiviert „zu tun“. Aus dem Stillstand möchte ich aktiv werden und gib mir dazu ein Ziel, eine Rolle. Als Impuls ok? Wenn es sich dann verfestigt und nicht mehr angemessen ist-Problem.

Eines meiner Lebensmottos ist/war: Ich tue, also bin ich.

Was braucht jemand zu sein, wenn es in der relativen Wirklichkeit gebraucht wird und diese Rolle abzulegen, wenn es unnötig ist!?

Die Bedeutung der Konstrukte wird oft erst in der Veränderung sichtbar.

 

Was ist eigentlich in den Zwischenräumen los, wenn im Gewahrsein nichts Spektakuläres passiert? Keine Aversion, kein Verlangen, nur eine sanfte Brise die übers Meer weht…….

 

Beziehung:

Ein lautes, entschlossenes DU und schon ist eine Grenze zwischen mir und dir/der Welt aufgebaut.

Der Innenbereich-ein gesundes Selbstbewußtsein, ein funktionales ich, das Gefährdungen meiner persönlich aufgebauten Illusion elegant und unaufgeregt, besänftigt. Das, wenn es intakt ist, keine klaren Grenzen braucht, flexibel agieren kann.

Die Kämpfe beginnen an den Außengrenzen des ICH, im Niemandsland wo Unsicherheit, Instabilität herrscht.

Verteidigungslinien und Horchposten werden errichtet.

Stolz, Selbstachtung, jetzt reicht es aber, so bin ich aber nicht, ich habe mich doch bemüht.

Die Grenzen werden befestigt mit immer, nie……

Waffen werden ausgepackt. Aggression, Selbstmitleid, Provokation, Vorwürfe, Rechthaberei.

Gibt es irgendwo ein Ort an dem wir uns wieder treffen können?

Geduld, Loslassen vom selbstgerechten Verletzt-sein, Anerkennung und spüren des Schmerzes des Getrennt-Seins!?

Wer tut den ersten Schritt raus aus der Selbst-gewählten Isolation?

Ist es der Wunsch nach Harmonie oder tiefe Einsicht!?

 

Pessimistisches Selbst:

Wird ohnehin nix, Unsicherheit. Ich kann es nicht, Rechtfertigung nix zu tun. Eines mieses Selbstbild fühlt sich manchmal immer noch vertrauter, Sicherer an, als gar kein Halt

Da geschieht Selfing durch Selbstmitleid, der Bereitschaft und den entsprechenden Tools darin zu verharren.

 

Veränderung:

Wie komme ich vom „kleinen“, getrennten selbst zur offenen Weite?

Steht am Anfang nicht ein gebrochenes Herz, das Mitfiebern mit der menschlichen Situation, meiner eigenen und von Menschen bei denen es mir leicht fällt das zu kontaktieren?

Der Mut mich meiner und unser aller Verletzlichkeit auszusetzen!?


Selbst/Ich als Bezugspunkt:

In der Welt brauchen wir ein funktionierendes Selbst/Ich als Bezugspunkt auch um in Beziehung zu anderen Menschen/Situationen zu treten.

Bestimmte Fähigkeiten, Eigenschaften machen MICH aus. Aber eben nicht für immer als feste Größe.

Das Problem beginnt, wenn das Selbstbild sich verfestigt und durch Veränderungen nicht mehr der aktuellen Realität entspricht.

Beispiel: ICH habe eine gute Orientierung…….

Wann wird das zur Fallgrube? Habe mich in letzter Zeit mehrfach verlaufen, manchmal kann ich es eingestehen (vor allem vor mir), manchmal nicht.


Die Blase platzt:

Ich baue mir ständig meine Welt/Blase zusammen. Irgendetwas in mir sagt, so bin ich, so ist die Welt, so bist du, ununterbrochen……

Ich bin ein rücksichtsvoller Autofahrer, er nicht.

Ich bin optimistisch, sie negativ und dann……

Anspannung, ich verteidige meine Weltsicht/Blase.

Die Blase platzt, 

Meine Mutter stirbt, ein großes Nichts, alle Bezugspunkte fallen weg-Leere

Meine Tochter wird geboren, alle Bezugspunkte fallen weg-Leere

Nicht-Flug nach Burma-totale Leere

Alle Pläne, Vorstellungen platzen am Ein-Check Schalter.

Die Blase ist geplatzt!!:

Interesse, Neugier, Erforschung machen nicht alles weg, besser, aber die schwierigen bzw. überschwenglich-euphorischen Zustände bekommen einen anderen Geschmack.

Wow bin ich deprimiert, verzweifelt, hilflos oder überdreht, gut drauf-so fühlt sich das an, spannend.


Wie passiert es?

Ich diskutiere, habe eine Meinung und im Verlauf des Gesprächs gehen die Standpunkte auseinander. Meine instinktive Reaktion ich ziehe mich ins „kleine Ich“ zurück. Ich habe natürlich recht (Corona-Maßnahmen, Klimakatastrophe, der Mensch ist gut/schlecht usw.) und gehe auf Distanz. Gleichzeitig gehe ich oft aus der Verantwortung indem ich mich zurückziehe, angreife oder gelähmt bin (Flucht in Pessimismus, Aktionismus, Lethargie-jede/r kann sich seine Lieblingstaktik aussuchen).

Ich verfestige meine Meinung, die Kommunikation, der Austausch kommt zum Erliegen. 

Manchmal gelingt es zu erkennen, dass ohne ein WIR keine Kommunikation möglich ist, getrennt verstehen, erreichen wir uns nicht, egal wie edel die Beweggründe sind. Ein Moment des Innehaltens kann den Kontakt wieder herstellen und beendet die SELBST-gewählte Isolation, Veränderung ist möglich.


Selbstbild schützen

Selfing hat die Funktion mein Selbstbild zu schützen vor Angriffen, Verletzungen. Ob Optimist, Pessimist, jeweils hat die Haltung die Aufgabe mir innerlich Gewißheit, Ruhe zu verschaffen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn Wandel ist die einzige Gewißheit, toll.

Viel Spannung wird erzeugt, um in der Welt der zu sein der ich sein möchte, diese Spannung muß ich kompensieren, auflösen, um nicht krank zu werden körperlich oder geistig. Damit schaffe ich neue Fallgruben.

Auch ein Großteil meiner spirituellen Praxis ist der, vergeblichen, Versuch eine magische Formel, einen Zauberspruch zu bekommen, der mir Sicherheit verschafft. Aber nur im Hier und Jetzt findet mein Leben statt, mit Respekt für meine Lebensgeschichte und einer Ahnung, wo die Reise hingehen soll. 


Selfing besonders verführerisch

Bei Übergängen wie Aufstehen, Reisen, Neues beginnen (Arbeit), Speisesaal, Medihalle betreten, Beenden, Verabschieden, Älterwerden.

Die richtige EGO-Rüstung ist noch nicht angelegt, aber ich muß in Beziehung gehen, muß mich positionieren. Das geschieht über urteilen, vergleichen. Die eigne Zerbrechlichkeit wird bewußt und ICH möchte mich schützen, Schmerz vermeiden.


Selfing als Extra-Positionierung:

Wenn Selfing geschieht, heißt das in meiner Erfahrung auch immer Trennung, eine Position einnehmen (mein, mich, mir…..). Wenn ich diese, manchmal notwendige Trennung (gut zu wissen mein Auto, meine Wohnung, meine Frau usw.) wahrnehme, stellt sich die Frage über welche Brücke kann ich gehen, um wieder im Kontakt zu sein. Kann es die Erinnerung sein, dass alle, was immer sie tun, glücklich sein möchten, ist es die Erfahrung des Mitgefühls, Mitempfindens, freue ich mich mit oder stelle ich fest, dass ich die Situation so akzeptieren muß in aller Demut, aber präsent, wie sie ist!? Wie finde ich aus der Isolation des ICH, MIR, MEIN raus, wieder in den Kontakt!?

 

Wir haben Probleme und Schwierigkeiten. Das ist für alle Menschen so. Die richtige Mischung aus Leid und Freude motiviert uns zur Meditation.

Sylvia Wetzel (Leichter leben)

 

 

Zurück

share / teilen: