Menschsein ist wie ein Gasthaus
Der Mensch gleicht einem Gasthaus,
jeden Tag neue Gesichter:
Augenblicke der Freude, eine Depression, eine Bösartigkeit.
Eine kurze Bewusstheit kommen als unerwartete
Besucher.
Heiße sie alle willkommen!
selbst den puren Ärger
der die Einrichtung Deines Hauses kurz und klein schlägt
Vielleicht räumt er dich leer für eine neue Freude.
Behandle jeden Gast respektvoll.
Den finsteren Gedanken, die Scham,
die Bosheit, begrüße sie mit einem Lachen
an der Tür und bitte sie herein.
Danke jedem für sein Kommen,
denn sie alle haben dir etwas
Wichtiges mitzuteilen
Wenn Du Zeit zum Schwatzen hast
Lies Bücher
Wenn Du Zeit zum Lesen hast,
geh in die Berge, in die Wüste, ans Meer
Wenn Du Zeit zum Gehen hast
Sing Lieder und tanze
Wenn Du Zeit zum Tanzen hast,
sitz still, Du glücklicher Narr
Ja sagen
Ja sagen
zum Leben
das mit dir
und deinen Worten
spielt
voller Heimlichkeit
Tücken und Wunder
Lust- und Trauerspiel
deines Daseins
Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar
Alles Hiesige braucht, dieses Schwindende, das
Seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten. Ein Mal
Jedes, nur ein Mal. Ein Mal und nichtmehr. Und wir auch
Ein Mal. Nie wieder. Aber dieses
Ein Mal gewesen zu sein, wenn auch nur ein Mal:
Irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar.
Rainer Maria Rilke – Neunte Duineser Elegie
Nicht müde werden
Dem Wunder die Hand hinzuhalten
Leise und geduldig
Wie einem Vogel
Selbst wenn du so viele Bücher verschlingst,
Wie es Sandkörner im Ganges gibt,
Das ist doch alles nicht so viel wert
Wie das wirkliche Erfassen eines einzigen Zen-Verses.
Wenn du das Geheimnis des Buddhismus wissen möchtest,
Hier ist es: «Alle Dinge sind im Herzen!»
Bedingungslos Jennifer Paine Welwood
Willens Alleinsein zu erfahren
Entdecke ich überall Verbindung
Mich der Furcht zuwendend
Treffe ich die Kriegerin die in mir lebt….
Mich meinem Verlust öffnend,
gewinne ich die Umarmung des Universums;
Mich der Leere ergebend
Finde ich Fülle ohne Ende
Jede Situation der ich zu entfliehen suche verfolgt mich
Jeder Umstand den ich willkommen heiße transformiert mich
Und wird selbst transformiert
In seine strahlende, juwelengleiche Essenz
Das ist die Sehnsucht Rainer Maria Rilke
Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche: leise Dialoge
täglicher Stunden mit der Ewigkeit.
Und das ist Leben. Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die, anders lächelnd als die andern Schwestern,
dem Ewigen entgegenschweigt.
Dass Gott in jedem von uns lebt Hermann Hesse
Dass Gott in jedem von uns lebt,
dass jeder Fleck Erde uns Heimat sei,
jeder Mensch uns verwandt und Bruder ist,
dass das Wissen um diese göttliche Einheit alle Trennung in Rassen,
Völker, in Reich und Arm, in Bekenntnisse und Parteien als Spuk und Täuschung entlarvt --
das ist der Punkt, auf den wir zurückkehren,
wenn furchtbare Not oder zarte Rührung unser Ohr geöffnet und
unser Herz wieder liebefähig gemacht hat.
Bitte Hilde Domin
Wir werden eingetaucht
und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.
Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränen
taugt nicht,
der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten.
der Wunsch, verschont zu bleiben,
taugt nicht.
Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube,
den Zweig vom Ölberg bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sein,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.
Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube
und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst
entlassen werden.
Der Pilger Hermann Hesse
Immer war ich auf der Fahrt,
Immer Pilgersmann,
Wenig hab ich mir bewahrt,
Glück und Weh zerrann.
Unbekannt war Sinn und Ziel
Meiner Wanderschaft,
Tausend Male, daß ich fiel,
Neu mich aufgerafft!
Ach, es war der Liebe Stern,
Den ich suchen ging,
Der so heilig und so fern
In den Höhen ging.
Eh das Ziel mir war bewußt,
Wanderte ich leicht,
Habe manche Höhenlust,
Manches Glück erreicht.
Nun ich kaum den Stern erkannt,
Ist es schon zu spät,
Hat er schon sich abgewandt,
Morgenschauer weht.
Abschied nimmt die bunte Welt,
Die so lieb mir ward.
Hab ich auch das Ziel verfehlt,
Kühn war doch die Fahrt.
Der Regen hat aufgehört, die Wolken sind weggezogen, Ryokan (Zen-Buddhistischer Mönch)
Und der Himmel ist wieder klar.
Wenn dein Herz rein ist,
Dann sind alle Dinge deiner Welt rein.
Gib diese vergängliche Welt auf, gib dich selbst auf.
Dann werden der Mond und die Blumen
Dir den Weg weisen.
Dich deinen Ängsten stellen Sergio Bambaren
Neue Welten zu entdecken wird dir
nicht nur Glück und Erkenntnis,
sondern auch Angst und Kummer bringen.
Wie willst du das Glück wertschätzen,
wenn du nicht weißt, was Kummer ist?
Wie willst du Erkenntnis gewinnen,
wenn du dich deinen Ängsten nicht stellst?
Letztlich liegt die große Herausforderung des Lebens darin,
die Grenzen in dir selbst zu überwinden
und so weit zu gehen,
wie du dir hast niemals träumen lassen.
Die leichteste Berührung David Whyte
Gute Dichtung beginnt mit
der leichtesten Berührung,
eine Brise aus dem Nirgendwo ankommend,
eine geflüsterte heilbringende Ankunft,
ein Wort in deinem Ohr,
ein Sich-Einlassen auf die Dinge,
dann wie eine Hand im Dunkeln
hält es den ganzen Körper an -
und wappnet dich für eine Offenbarung.
In der Stille, die auf
einen großen Vers folgt,
kannst du wie Lazarus
tief in dir spüren,
wie selbst der trägste, sich am meisten zu Tode ängstigende
Teil von dir,
seine Hände emporstreckt
und auf das Licht zugeht.
Die Reise Mary Oliver
Eines Tages wusstest du endlich,
was zu tun war, und hast begonnen,
obwohl die Stimmen um dich herumdir weiter ihren schlechten Rat zuriefen -
obwohl das ganze Haus
zu zittern begann
und du wieder spürtest
wie etwas an deinen Knöcheln zog.
"Mach mein Leben besser!"
riefen sie alle.
Aber du bist nicht stehen geblieben.
Du wusstest, was du zu tun hattest,
obwohl der Wind
mit seinen steifen Fingern
an den tiefsten Fundamenten rüttelte,
obwohl ihre Trauer
so schrecklich war.
Es war schon spät
genug, und eine stürmische Nacht,
und der Weg war voll von herabgefallenen
Zweigen und Steinen.
Aber Schritt für Schritt, während du ihre Stimmen hinter dir ließest,
begannen die Sterne
durch die Wolkendecke zu glühen,
und da war eine neue Stimme,
die du langsam
als deine eigene erkanntest,
die bei dir blieb,
als du tiefer und tiefer
in die Welt gingst,
dazu bestimmt,
das einzige zu tun, was du tun konntest -
dazu bestimmt,
das einzige Leben zu retten, das du retten konntest.
Die wirkliche Arbeit Gary Snyder
(Heute mit Zac & Dan, während wir an Alcatraz vorbeiruderten, um Angel Island herum)
Seelöwen und Vögel,
sonne durch Nebel
schaut dir direkt in die Augen.
Sonnennebel;
Ein langer Tanker zieht vorbei, hoch aus dem Wasser.
Scharfe kabbelige Wasserlinie –
Wo die Gezeitenströme sich kreuzen
Schwimmen Seemöven
Und fressen;
Wir gleiten vorüber an weiß gesprenkelten Klippen
Die wirkliche Arbeit.
Reinigen, seufzen
Vorübergleiten
Diese Welt ist nicht mehr Rick Fields
als eines Tautropfens
Zittern
An einem herbstlichen Blatt
Und doch -
Und doch –
Ehmals und jetzt Friedrich Hölderlin
In jüngern Tagen war ich des Morgens froh,
Des Abends weint ich; jetzt, da ich älter bin,
Beginn ich zweifelnd meinen Tag, doch
Heilig und heiter ist mir sein Ende.
Ein kleiner Gesang über die vollkommen reine Natur, Gendün Rinpotsche
der meinem Mund entschlüpfte:
Königliche Sicht ist,
alle Vorstellungen von Subjekt und Objekt hinter sich zu lassen.
Königliche Meditation ist,
nichts zu tun, nicht zu meditieren und nicht abgelenkt zu sein.
Königliches Handeln ist,
frei von Anstrengung, Annehmen und Aufgeben zu sein.
Hoffnung und Furcht loslassend
offenbart sich die Frucht.
Jenseits aller Bezugspunkte, wo es keinen Geist gibt,
erstrahlt das Wesen des Geistes.
Ohne Stufen oder Pfade zu durchlaufen,
wird das Ende des Weges aller Buddhas erreicht.
Ohne Meditationsobjekte meditierend
wird unübertreffliche Buddhaschaft erlangt.
Ein kostbares Menschenleben H.H.Dalai Lama
"Jeden Morgen, wenn du aufwachst, denke:
Heute habe ich das Glück aufgewacht zu sein.
Ich lebe, ich habe ein kostbares Menschenleben. Das werde ich nicht vergeuden.
Ich werde all meine Energie nutzen mich selbst zu entwickeln, mein Herz den anderen zu öffnen, um Befreiung zum Nutzen aller Lebewesen zu erlangen.
Ich werde liebevolle Gedanken für die anderen entwickeln, ich werde mich nicht im Zorn verlieren oder schlecht über die anderen denken.
Ich werde den Lebewesen nutzen so gut ich kann."
Eine Insel erfinden ... Rose Ausländer
Eine Insel erfinden,
allfarben
wie das Licht.
In seinem Schatten
willkommen heißen
die Erde.
Sie bitten, uns aufzunehmen
in Gärten,
wo wir wachsen dürfen,
brüderlich,
Mensch an Mensch.
Einsamkeit Rose Ausländer
Wahrgeworden
die Weissagung der Zigeunerin
Dein Land wird
dich verlassen
du wirst verlieren
Menschen und Schlaf
wirst reden
mit geschlossenen Lippen
zu fremden Lippen
Lieben wird dich
die Einsamkeit
wird dich umarmen
Endgültige Reise Juan Ramon Jimenez
... Und ich werde gehen. Die Vögel werden weitersingen;
mein Garten verbleibt, mit seinem grünen Baum
und seinem weißen Brunnen.
Jeden Nachmittag ein blauer, gelassener Himmel;
jeden Nachmittag, wie heute, das Läuten
der Glocken im Glockenturm.
Die mich liebten werden sterben;
das Dorf wird sich in jedem Jahr erneuern;
und in jener Ecke meines blühenden und geweißelten Gartens
irrt nostalgisch mein Geist...
Und ich werde gehen; allein werde ich sein, ohne Heim, ohne
grünen Baum, ohne weißen Brunnen,
ohne blauen, gelassenen Himmel...
Die Vögel werden weitersingen.
Gefühltes Alter Tomas Tranströmer
Man fühlt sich immer jünger, als man ist. In mir trage ich meine früheren Gesichter, wie ein Baum seine Jahresringe hat. Die Summe daraus ist das, was "ich" ist. Der Spiegel sieht nur mein letztes Gesicht, ich spüre alle meine früheren.
Glück findet sich nicht mit dem Willen Lama Gendün
oder durch große Anstrengung.
Es ist immer schon da, vollkommen und vollendet,
im Entspannen und Loslassen.
Beunruhige dich nicht. Es gibt nichts zu tun.
Was im Geist erscheint hat keinerlei Bedeutung,
weil es keine Wirklichkeit besitzt.
Halte an nichts fest. Bewerte nicht.
Lass das Spiel von selbst ablaufen,
entstehen und vergehen,
ohne irgendetwas zu ändern.
Alles löst sich auf und beginnt wieder von neuem, unaufhörlich.
Allein dein Suchen nach Glück hindert dich, es zu sehen –
wie bei einem Regenbogen,
den man verfolgt, ohne ihn je zu erreichen
– weil das Glück nicht existiert und doch immer schon da war
und dich jeden Moment begleitet.
Glaube nicht, gute oder schlechte Erfahrungen seien wirklich.
Sie sind wie Regenbögen.
Im Erlangenwollen des Nichtzufassenden
erschöpfst du dich vergeblich.
Sobald du dieses Verlangen loslässt,
ist Raum da – offen, einladend und wohltuend.
Also nutze ihn.
Alles ist bereits da für dich.
Wozu
im undurchdringlichen Dschungel
den Elefanten suchen,
der schon ruhig zu Hause ist?
Nichts tun,
nichts erzwingen,
nichts wollen –
und alles geschieht von selbst.
Ihr sollt nicht eure Flügel falten, Khalil Gibran
damit ihr durch Türen kommt,
noch eure Köpfe beugen,
damit sie nicht gegen eine Decke stoßen,
noch Angst haben zu atmen,
damit die Mauern nicht bersten und einstürzen.
Ihr sollt nicht in Gräbern wohnen,
die von den Toten für die Lebenden gemacht sind.
Und obwohl von Pracht und Glanz,
sollte euer Haus weder euer Geheimnis hüten,
noch eure Sehnsucht beherbergen.
Denn was grenzenlos in euch ist,
wohnt im Palast des Himmels,
dessen Tor der Morgennebel ist und dessen
Fenster die Lieder und die Stille der Nacht sind.
Bald bin ich Licht Dschela ed-Din Rumi
Bald bin ich Licht, bald bin ich trüb,
bald hart, bald weich, dann bös, dann gut.
Bein Sonn und Vogel, Staub und Wind,
so Mond als Kerze, so Strom wie Glut,
bin arger Geist, bin Engelkind-
Alles, alles ist gut.
Aufhebung Erich Fried
Sein Unglück
ausatmen können
tief ausatmen so dass man wieder einatmen kann
Und vielleicht auch sein Unglück
sagen können in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
und die vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte
Und weinen können
das wäre schon fast wieder Glück
Nichts bleibt Rose Ausländer
alles bleibt wie es ist
Nichts bleibt wie es ist
es zerbricht wie Porzellan
Du bemühst dich
die Scherben zu kleben
zu einem Gefäß
und weinst
weil es nicht glückt
Briefe an einen jungen Dichter Rainer Maria Rilke
Man muss den Dingen
Die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen,
Die tief von innen kommt,
Und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann;
Alles ist Austragen – Und dann Gebären.
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
Und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
Ohne Angst,
Dass kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
Die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
So sorglos, still und weit …
Man muss Geduld haben, gegen das Ungelöste
Im Herzen,
Und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben
Wie verschlossene Stuben
Und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
Geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Frage lebt,
Lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
Eines fremden Tages in die Antwort hinein.
Noch einmal sprechen Erich Fried
von der Wärme des Lebens
damit doch einige wissen:
Es ist nicht warm
aber es könnte warm sein
Bevor ich sterbe
noch einmal sprechen
von Liebe
damit doch einige sagen:
Das gab es
das muß es geben
Noch einmal sprechen
vom Glück der Hoffnung auf Glück
damit doch einige fragen:
Was war das
wann kommt es wieder?
An die Nachgeborenen Bertolt Brecht
I
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?
Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich sattzuessen.
Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren.)
Man sagt mir: iß und trink du! Sei froh, daß du hast!
Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
Ich dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?
Und doch esse und trinke ich.
Ich wäre gerne auch weise.
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen.
Auch ohne Gewalt auskommen,
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen,
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
II
In die Städte kam ich zur Zeit der Unordnung
Als da Hunger herrschte.
Unter die Menschen kam ich zur Zeit des Aufruhrs
Und ich empörte mich mit ihnen.
So verging meine Zeit,
Die auf Erden mir gegeben war.
Mein Essen aß ich zwischen den Schlachten.
Schlafen legte ich mich unter die Mörder.
Der Liebe pflegte ich achtlos
Und die Natur sah ich ohne Geduld.
So verging meine Zeit,
Die auf Erden mir gegeben war.
Die Straßen führten in den Sumpf zu meiner Zeit.
Die Sprache verriet mich dem Schlächter.
Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden
Saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich.
So verging meine Zeit,
Die auf Erden mir gegeben war.
Die Kräfte waren gering. Das Ziel
Lag in großer Ferne
Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich
Kaum zu erreichen.
So verging meine Zeit,
Die auf Erden mir gegeben war.
III
Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.
Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd
Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.
Dabei wissen wir doch:
Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
Ihr aber, wenn es so weit sein wird
Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unserer
Mit Nachsicht.
Lasse ich meine Natur fließen
Ohne dem kleinsten bisschen Ehrgeiz übrig
lasse ich meine Natur fließen
wo sie hin will.
Es gibt noch für zehn Tage Reis
in meiner Tascheund neben dem Herd
ein Bund Feuerholz.
Wer plappert da von Illusion oder Nirwana?
Ich vergesse den gleichen nichtssagenden Staub
eines guten Namens und Reichtums,
und während ich auf den nächtlichen Regen höre,
wie er auf das Dach meiner Hütte prasselt,
sitze ich entspannt,
beide Beine ausgestreckt.
Noch bist du da Rose Ausländer
Wirf deine Angst
in die Luft
Bald
ist deine Zeit um
bald
wächst der Himmel
unter dem Gras
fallen deine Träume
ins Nirgends
Noch
duftet die Nelke
singt die Drossel
noch darfst du lieben
Worte verschenken
noch bist du da
Sei was du bist
Gib was du hast
Sozusagen grundlos vergnügt Mascha Kaléko
Ich freu mich, daß am Himmel Wolken ziehen
Und daß es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
Wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
- Daß Amseln flöten und daß Immen summen,
Daß Mücken stechen und daß Brummer brummen.
Daß rote Luftballons ins Blaue steigen.
Daß Spatzen schwatzen. Und daß Fische schweigen.
Ich freu mich, daß der Mond am Himmel steht
Und daß die Sonne täglich neu aufgeht.
Daß Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
Gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem, daß ich bin.
In mir ist alles aufgeräumt und heiter;
Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt.
An solchem Tag erklettert man die Leiter,
Die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
- Weil er sich selber liebt - den Nächsten lieben.
Ich freue mich, daß ich mich an das Schöne
und an das Wunder nie gewöhne.
Daß alles so erstaunlich bleibt, und neu!
Ich freu mich, daß ich . . . Daß ich mich freu.
Unaufhaltsam Hilde Domin
Das eigene Wort,
wer holt es zurück,
das lebendige,
Wo das Wort vorbeifliegt
verdorren die Gräser,
werden die Blätter gelb,
fällt Schnee.
Ein Vogel käme dir wieder.
Nicht dein Wort,
das eben noch ungesagte,
in deinen Mund.
Du schickst andere Worte
hinterdrein,
Worte mit bunten, weichen Federn.
Das Wort ist schneller,
das schwarze Wort.
Es kommt immer an,
es hört nicht auf an-
zukommen.
Besser ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein.
Ein Messer trifft oft
am Herzen vorbei
Nicht das Wort.
Am Ende ist das Wort,
immer
am Ende
das Wort.
Apropos, Einsamkeit! Erich Kästner
Man kann mitunter scheußlich einsam sein!
Da hilft es nichts, den Kragen hochzuschlagen
und vor Geschäften zu sich selbst zu sagen:
Der Hut da drin ist hübsch, nur etwas klein ...
Da hilft es nichts, in ein Café zu gehn
und aufzupassen, wie die andren lachen.
da hilft es nichts, ihr Lachen nachzumachen.
Es hilft auch nicht, gleich wieder aufzustehn.
Da schaut man seinen eignen Schatten an.
Der springt und eilt, um sich nicht zu verspäten,
und Leute kommen, die ihn kühl zertreten.
Da hilft es nichts, wenn man nicht weinen kann.
Da hilft es nichts, mit sich nach Haus zu fliehn
und, falls man Brom zu Haus hat, Brom zu nehmen.
Da nützt es nichts, sich vor sich selbst zu schämen
und die Gardinen hastig vorzuziehn.
Da spürt man, wie es wäre: Klein zu sein.
So klein, wie nagelneue Kinder sind!
Dann schließt man beide Augen und wird blind.
Und liegt allein.
ALLTAG Robert Gernhardt
Ich erhebe mich.
Ich kratze mich.
Ich wasche mich.
Ich ziehe mich an.
Ich stärke mich.
Ich begebe mich zur Arbeit.
Ich informiere mich.
Ich wundere mich.
Ich ärgere mich.
Ich beschwere mich.
Ich rechtfertige mich.
Ich reiße mich am Riemen.
Ich entschuldige mich.
Ich beeile mich.
Ich verabschiede mich.
Ich setze mich in ein Lokal.
Ich sättige mich.
Ich betrinke mich.
Ich amüsiere mich etwas.
Ich mache mich auf den Heimweg.
Ich wasche mich.
Ich ziehe mich aus.
Ich fühle mich sehr müde.
Ich lege mich schnell hin:
Was soll aus mir mal werden,
wenn ich mal nicht mehr bin?
Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen! Thich Nhat Hanh
"Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen!
Betrachte es ganz tief:
Jede Sekunde komme ich an,
sei es als Knospe in einem Frühlingszweig
oder als winziger Vogel mit noch zarten Flügeln,
der im neuen Nest erst singen lernt.
Ich komme an als Raupe im Herzen der Blume
oder als Juwel, verborgen im Stein.
Ich komme stets gerade erst an,
um zu lachen und zu weinen,
mich zu fürchten und zu hoffen.
Der Schlag meines Herzens ist Geburt und Tod
von allem, was lebt.
Ich bin die Eintagsfliege,
die an der Wasseroberfläche des Flusses schlüpft.
Und ich bin auch der Vogel, der herabstürzt, um sie zu schnappen.
Ich bin der Frosch, der vergnüglich im klaren Wasser eines Teiches schwimmt.
Und ich bin die Ringelnatter,
die in der Stille den Frosch verspeist.
Ich bin das Kind aus Uganda, nur Haut und Knochen,
mit Beinchen so dünn wie Bambusstöcke.
Und ich bin der Waffenhändler,
der todbringende Waffen nach Uganda verkauft.
Ich bin das zwölfjährige Mädchen, Flüchtling in einem kleinen Boot,
das von Piraten vergewaltigt wurde
und nur noch den Tod im Ozean sucht.
Und ich bin auch der Pirat,
mein Herz ist noch nicht fähig, zu erkennen und zu lieben.
Ich bin ein Mitglied des Politbüros
mit reichlich Macht in meinen Händen.
Und ich bin der Mann, der seine Blutschuld an sein Volk zu zahlen hat
und langsam in einem Arbeitslager stirbt.
Meine Freude ist wie der Frühling.
So warm, daß sie die Blumen auf der ganzen Erde erblühen läßt.
Mein Schmerz ist wie ein Tränenstrom.
So mächtig, daß er alle vier Meere ausfüllt.
Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen!
Damit ich all mein Weinen und Lachen zugleich hören kann.
Damit ich sehe, daß meine Freude und mein Schmerz eins sind.
Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen!
Damit ich erwache!
Damit das Tor meines Herzens von nun an offen steht,
das Tor des Mitgefühls."
I fail as a Dharma teacher Diane di Prima
I don`t imagine I`ll manage to express Sunyata
In a way that all my students will know & love
Or present the Four Noble Truths so they look delicious
& tempting as Easter candy. My skilful means
Is more like a two-by four banging on the head
Of a reluctant diver
I then go in and save-
Alas this life I can`t be kind and persuasive
Slip the Twelve-part Chain off hundreds of shackeled
Housewives
Present the Eight-fold Path like the ultimate roadmap
At all the gas stations in Samsara
But, oh, my lamas, I want to
How I want to!
Just to see your old eyes shine in this Kaliyuga
Stars going out around us like birthday candles
Your Empty Clear Luminous and Unobstructed
Rainbow bodies
Swimming in and through us like transparent fish
A Vision of the Bodhisattvas Philipp Whalen
They pass before me one by one riding on animals
"What are you waiting for," they want to know
Z—, young as he is (& mad into the bargain) tells me
"Some day you'll drop everything & become a rishi, you know."
The forest is there, I've lived in it
More certainly than this town? Irrelevant—
What am I waiting for?
A change in customs that will take 1000 years to come about?
Who's to make the change but me?
"Returning again and again," Amida says
Why's that dream so necessary? walking out of whatever house alone
Nothing but the clothes on my back, money or no
Down the road to the next place the highway leading to the
mountains
From which I absolutely must come back
What business have I to do that?
I know the world and I love it too much and it
Is not the one I'd find outside this door.
Albert Saijo
BODHISATTVA VOWS TO BE THE LAST ONE OFF THE SINKING SHIP -- YOU SIGN UP & FIND OUT IT'S FOREVER -- PASSENGER LIST ENDLESS -- SHIP NEVER EMPTIES -- SHIP KEEPS SINKING BUT DOESN'T QUITE GO UNDER -- ON BOARD ANGST PANIC & DESPERATION HOLD SWAY -- TURNS OUT BODHISATTVAHOOD IS A FUCKING JOB LIKE ANY OTHER BUT DIFFERENT IN THAT THERE'S NO WEEKENDS HOLIDAYS VACATIONS NO GOLDEN YEARS OF RETIREMENT -- YOU'RE SPENDING ALL YOUR TIME & ENERGY GETTING OTHER PEOPLE OFF THE SINKING SHIP INTO LIFEBOATS BOUND GAILY FOR NIRVANA WHILE THERE YOU ARE SINKING -- & OF COURSE YOU HAD TO GO & GIVE YOUR LIFEJACKET AWAY -- SO NOW LET US BE CHEERFUL AS WE SINK -- OUR SPIRIT EVER BUOYANT AS WE SINK.
Hokusai sagt Roger Keyes
Hokusai sagt, schau achtsam hin
Er sagt, sei aufmerksam, nimm wahr
Er sagt, schau immer weiter hin, bleib neugierig
Er sagt, das Sehen hat kein Ende
Er sagt, alles ist lebendig –
Muscheln, Bauten, Menschen, Fische
Berge, Bäume, Holz ist lebendig
Wasser ist lebendig
Alles hat sein eigenes Leben.
Alles lebt in unserem Innern.
Er sagt, lebe mit der Welt in Deinem Innern….
Es ist wichtig, dass Du Anteil nimmst
Es ist wichtig, dass du fühlst
Es ist wichtig, dass du wahrnimmst.
Es ist wichtig, dass das Leben durch dich lebt…
Schau, fühle, lass dich vom Leben an die Hand nehmen.
Lass das Leben durch dich leben