Bozos im Bus Wavy Gravy
Auch wenn wir alle ständig versuchen, uns das Gegenteil zu beweisen und uns jeden Tag Neue anstrengen, um uns mit gespielter Selbstsicherheit zu beeindrucken – in Wirklichkeit sind wir doch eher halbgare Experimente, unvollkommene und immer wieder
scheiternde Wesen, ohne Anleitung in eine verwirrend komplexen Welt hineingeboren.
Keiner von uns ist ein Modell perfekten Verhaltens: Haben wir nicht alle schon unsere Versprechen gebrochen? Haben betrogen und sind betrogen worden? Waren wir nicht alle schon einmal egoistisch, faul, unzuverlässig, gierig oder geizig? Und jeder von uns ist wohl schon mal mitten in der Nacht aufgewacht … und hat sich Sorgen gemacht, … über alles Mögliche: von Geld, über Kinder, Terrorismus und den Klimawandel … bis hin zu faltiger Haut und dünner werdenden Haaren. Mit anderen Worten:
Wir sind alle Bozos im selben Bus.
Meiner Meinung nach ist das ein Grund zum Feiern. Wenn wir alle Bozos sind, dann können wir doch um Himmels willen die Last, uns etwas vorzuspielen, einfach über Bord werfen und wir können damit beginnen, Bozos zu sein. Wir können die Probleme, die bozohafte Wesen in ihrem Leben nun einmal so haben, ohne die übliche Peinlichkeit … und dieses vertraute Uns-Winden … angehen. Es ist so viel heilsamer, unsere Ecken und Kanten, unser Scheitern und unsere Widerstände mit leichtem und vergebendem Herzen zu betrachten … und spielerisch damit umzugehen.
Stell dir vor, wie befreiend es wäre, mitfühlender und humorvoller auf unsere menschliche Existenz zu schauen – nicht, um unsere Unvollkommenheiten zu leugnen – sondern, um sie als Element des menschlichen Lebens willkommen zu heißen. Jeder einzelne Mensch in diesem Bus, genannt Erde, erlebt Schmerz; es ist die Scham über unsere sogenannten Schwächen und unser Stolpern, die aus dem Schmerz Leiden macht. Wenn wir uns schämen, fühlen wir uns wie Ausgestoßene – als gäbe es da irgendwo noch
einen anderen Bus, der weich gefedert eine glatte Straße entlang gleitet. Seine Fahrgäste sind alle schlanke, gesunde, glückliche, gut aussehende und beliebte Menschen, die in harmonischen Familien leben, die Arbeit haben, die sie nie langweilt oder ärgert … und die nie alberne oder schusselige Dinge tun, wie z.B. vergessen, wo sie ihr Auto geparkt haben, ihre Brieftasche verlieren oder etwas vollkommen Unpassendes sagen. Wir sehnen uns danach, in dem Bus mit den anderen, den normalen Leuten zu sitzen.
Aber wir sind in dem Bus, wo vorne "BOZOS" drauf steht – und wir machen uns Sorgen, wir könnten der einzige Fahrgast sein. Das ist die Illusion, mit der wir uns so oft abmühen: dass wir ganz allein sind mit unserer Eigenartigkeit und unserer Unsicherheit und, dass wir wohl die verlassenste Person auf der ganzen Strecke sind. So fühlen wir uns natürlich nicht immer. Manchmal überkommt uns eine Welle von Selbst-Vergebung und Selbst-Mitgefühl und plötzlich sind wir mit den anderen verbunden; … plötzlich gehören wir dazu. Es ist wunderbar, in diesem Bus mit den anderen Bozos den eigenen Platz einzunehmen. Es führt unmittelbar zu Erleichterung und ist so befreiend, mit allen Zellen des Körpers zu begreifen: Der andere Bus – der elegante Bus mit den coolen Leuten, die wissen, wohin sie fahren – der ist auch mit Bozos gefüllt: Bozos in Verkleidungen, Bozos mit Geheimnissen.
Wenn wir klar erkennen, dass jeder einzelne Mensch, unabhängig von Ruhm oder Reichtum oder Alter oder Intelligenz oder Schönheit, die gleichen gewöhnlichen Seltsamkeiten mit uns teilt; dann passiert etwas Eigenartiges: Wir entspannen, fangen an, uns zu freuen, werden lockerer und schließlich so lebensfroh, wie die Menschen, die wir uns in dem anderen Bus vorgestellt haben. Und während wir dann weiter über die Piste voller Schlaglöcher rumpeln, … verloren wie
immer, … durch die Täler und über die Hügel, entdecken wir:
Wir sind unter Freunden! Wir lehnen uns zurück, … entspannen … und genießen die Fahrt.
Ich bin selbst ein Mönch, und die eine Frage, die ich wirklich stellen wollte, war: „Was ist ein Mönch?“ Nun, schließlich wagte ich es, aber statt eine Antwort zu bekommen, wurde mir eine höchst seltsame Frage gestellt.
„Meinst du bei Tag oder bei Nacht?“ Nun, was konnte das bedeuten?
Als ich nicht antwortete, nahm er das Ganze noch einmal auf. „Ein Mönch ist, wie jeder andere Mensch auch, ein Wesen, das sich entweder verdichtet oder ausdehnt. Während des Tages ist er kontrahiert, er befindet sich hinter seinen Klostermauern in eine Robe gekleidet—wie all die anderen tut er die Dinge, die man üblicherweise von einem Mönch erwartet. Bei Nacht dehnt er sich aus. Die Wände können ihn nicht halten. Er bewegt sich durch die Welt und berührt die Sterne.“
Ah, dachte ich, Poesie. Um ihn wieder auf die Erde zu bringen, begann ich zu fragen: „Nun, während des Tages, in seinem realen Körper...“
„Warte“, sagte er. „Das ist der Unterschied zwischen uns und euch. Ihr geht immer davon aus, dass der verdichtete Zustand der reale Körper sei. In einem gewissen Sinne ist er auch real. Aber wir hier neigen dazu, am anderen Ende, bei dem erweiterten Zustand, anzusetzen. Wir nennen den Zustand während des Tages den „Körper der Angst“. Ihr beurteilt einen Mönch meist nach dem Anstand den er am Tage wahrt. Wir neigen dazu, einen Mönch an der Anzahl
der Personen zu messen, die er bei Nacht berührt, sowie an der Anzahl der Sterne.
Unsere Abhängigkeit von allen Lebewesen
In Tat und Wahrheit sind wir natürlich überhaupt völlig abhängig von allen Lebewesen, ob sie nun unsere Mütter waren oder nicht. Um der Erfahrung der Zusammengehörigkeit und Einheit aller Lebewesen näher zu kommen, können wir über unsere Abhängigkeit von ihnen und unsere Verbundenheit mit ihnen meditieren:
An alles und jedes, was wir im Leben brauchen, besitzen und genießen, haben unzählige Menschen und Tiere beigetragen; durch Arbeit, durch Anstrengung, oft sogar durch ihr Leben. Wir leben ständig auf Kosten anderer. Wir sind ständig von ihrer Güte und ihrem Wohlwollen abhängig.
Wir üben uns in systematischer Kontemplation, wenden sie immer und immer wieder an und dehnen sie auf alle möglichen Dinge und Situationen in unserem Leben aus mit Beispielen, Vorstellungskraft und Phantasie. Überlegen wir einmal, was benötigt wird, um uns mit Trinkwasser zu versorgen: Es braucht frisches Quellwasser, Spezialisten und Arbeiter, die das Wasser fassen und, oft über weite Strecken, Rohre verlegen.
Es braucht Grubenarbeiter, um Eisenerz zu gewinnen, und Arbeiter, die Erz zu Eisen und dann zu Rohren verarbeiten, oder Menschen, die Kunststoffrohre fabrizieren. Vielleicht sind auch Filter- und Verteileranlagen und deren Herstellung und Bedienung notwendig.
Ferner braucht es Lastwagenfahrer für Transporte und Spengler für sanitäre Anlagen im Haus.
Mit großer Selbstverständlichkeit öffnen wir bei uns zuhause den Wasserhahn - und sauberes Trinkwasser fließt.
Noch komplexer ist unsere Abhängigkeit von anderen bei der Ernährung: Um Brot, Gemüse oder Früchte auf dem Tisch zu haben, braucht es nicht nur Erde, Sonne, Wasser und Luft, sondern auch die Arbeit von Bauern, Bäuerinnen und Landarbeitern, von Müllern, Bäckern, Transporteurinnen, Händlern und Verkaufspersonal.
Es braucht Landmaschinen, Mühlen, Lastwagen, Backöfen sowie die Rohmaterialien; aber auch Ingenieure, Techniker, Managerinnen, Hersteller und Arbeiterinnen, um die Rohmaterialien zu gewinnen und Fabrikate zu konstruieren und herzustellen.
Wenn das Essen verzehrt und verdaut ist, verschwindet es via Klo aus unserem Blickfeld. Ist damit - in Bezug auf unsere Abhängigkeit von anderen - der Fall erledigt? Spengler installieren sanitäre Anlagen, Kanalisationssysteme müssen - unter der Erde - gebaut und unterhalten werden, Abwasserreinigungsanlagen mit den nötigen Einrichtungen und fachgerechter Bedienung sind Bodhicitta - zum Wohle aller Lebewesen nötig, Klärschlamm muß entsorgt werden; auch hier endlose Ketten von Menschen, auf die wir für unseren Komfort und unser Wohlbefinden angewiesen sind.
Ganz ähnlich verhält es sich mit unserer Bekleidung: Meist unterbezahlte Arbeitskräfte, Männer, Frauen und Kinder, schuften auf den Baumwollplantagen der Dritten Welt. Fabrikarbeiterinnen stellen Stoffe aus Baumwolle, aus Schafwolle oder Kunstfaser her. Näherinnen, Schneiderinnen, Maschinen und deren Hersteller und Bedienungspersonal sind alle daran beteiligt, die Stoffe zu Kleidern zu verarbeiten.
Leder von Kühen, Pferden, Seehunden und unzähligen anderen Tieren wird gebraucht, um Schuhe, Gürtel, Mäntel und Hüte anzufertigen. Dabei ist Licht, Strom, Kraft und Energie notwendig aus Elektrizitätswerken, Kernkraftwerken oder aus Ölfeldern in fernen Ländern.
Auch hier: anfangslose, schier endlos verzweigte Ketten von Menschen und anderen Lebewesen, von deren Arbeit, deren Bemühen, ja deren Leben wir abhängig sind.
Seesterne retten
Ein furchtbarer Sturm kam auf. Der Orkan tobte. Das Meer wurde aufgewühlt und meterhohe Wellen brachen sich ohrenbetäubend laut am Strand.
Nachdem das Unwetter langsam nachließ, klarte der Himmel wieder auf. Am Strand lagen aber unzählige von Seesternen, die von der Strömung an den Strand geworfen waren.
Ein kleiner Junge lief am Strand entlang, nahm behutsam Seestern für Seestern in die Hand und warf sie zurück ins Meer.
Da kam ein Mann vorbei. Er ging zu dem Jungen und sagte: "Du dummer Junge! Was du da machst ist vollkommen sinnlos. Siehst du nicht, dass der ganze Strand voll von Seesternen ist? Die kannst du nie alle zurück ins Meer werfen! Was du da tust, ändert nicht das Geringste!"
Der Junge schaute den Mann einen Moment lang an. Dann ging er zu dem nächsten Seestern, hob ihn behutsam vom Boden auf und warf ihn ins Meer. Zu dem Mann sagte er: "Für ihn wird es etwas ändern!"
Anonym
Eine einzige menschliche Familie
Vor 40 Jahren kam ich auf meiner persönlichen Suche nach Glück in einem Waldkloster in Thailand an, ein verwirrter, einsamer junger Mann mit einer leidvollen Familiengeschichte. Ich hatte gerade einen ersten akademischen Abschluss in Asian Studies erworben und war ins Peace Corps eingetreten mit dem
Wunsch, in einem buddhistisches Land Dienst tun zu dürfen. Wenn ich heute zurückblicke, scheint mir klar, dass ich nicht nur meinen familiären Problemen entkommen wollte, sondern auch dem zur Zeit des Vietnamkrieges unübersehbaren Materialismus und dem spezifischen Leiden unserer Kultur im Allgemeinen.
Ich gehörte zu einem der typischen Hilfstrupps, welche die Bauern in den Dörfern entlang des Mekong medizinisch versorgten. Bei dieser Gelegenheit hörte ich von einem Meditationsmeister, Ajahn Chah, der auch westliche Schüler aufnahm. Ich war damals voller Hoffnung und hatte die Vorstellung, dass die buddhistischen Lehren mir helfen, ja mich vielleicht sogar zur Erleuchtung führen würden. Nach einigen Monaten, in denen ich Ajahn Chahs Kloster regelmäßig besuchte, legte ich die Mönchsgelübde ab. In den nächsten drei Jahren führte man mich ein in die Übung von Achtsamkeit, Großzügigkeit, liebender Güte und ethischem Verhalten, welche die Grundlage der buddhistischen Lehren bilden. Dies war der Beginn meiner lebenslangen Beziehung zum Buddhismus.
Wie nach Spirit Rock heute, so kamen auch damals ins Waldkloster ständig Besucher. Jeden Tag nahm Ajahn Chah seinen Platzauf seiner hölzernen Bank am Rande einer Lichtung ein und begrüßte sie alle: Reisbauern aus der Umgebung, fromme Pilger, Suchende, Soldaten, junge Menschen, Minister aus der Hauptstadt und Schüler aus dem Westen. Alle kamen sie mit ihren spirituellen Fragen, ihren Konflikten, ihren Sorgen, Ängsten und Hoffnungen. Ajahn Chah legte einem Mann, der gerade erst seinen Sohn verloren hatte, sanft die Hand auf, um im nächsten
Augenblick mit einem desillusionierten Kaufmann über die Arroganz der Menschen zu lachen. Am Morgen unterwies er einen korrupten Regierungsbeamten in der Bedeutung ethischen Handelns, am Nachmittag meditierte er mit einer frommen alten Nonne über die Natur des Bewusstseins.
Doch unter all diesen einander völlig fremden Menschen herrschte ein bemerkenswertes Vertrauen und ein enormes Gefühl der Sicherheit. Alle wurden vom Mitgefühl des Meisters gehalten. Und von den Belehrungen, die uns auf unserer menschlichen Reise von Geburt und Tod, Freude und Leid Führung zuteil werden ließen. Wir saßen beisammen als eine einzige menschliche Familie.
Der Zug des Lebens
Vor einiger Zeit las ich ein Buch, worin das Leben
mit einer Zugreise verglichen wurde.
Eine sehr interessante Lektüre.
Das Leben ist wie eine Reise mit dem Zug. Man steigt oft ein und aus,
bei manchen Aufenthalten gibt es angenehme Überraschungen und glückliche Momente,
aber auch Unfälle und Traurigkeit.
Wenn wir geboren werden und in den Zug einsteigen, treffen wir Menschen,
von denen wir glauben, dass sie uns während der ganzen Reise begleiten werden, unsere Eltern.
Leider ist die Wahrheit eine andere.
Sie steigen irgendwann aus und lassen uns,
ohne ihre Liebe und Zuneigung,
ohne ihre Freundschaft und Gesellschaft,
zurück.
Allerdings steigen andere Personen,
die für uns sehr wichtig werden, in den Zug ein.
Es sind unsere Geschwister,
unsere Freunde und die Menschen,
die uns begegnen und die wir lieben lernen.
Manche Personen, die einsteigen,
betrachten die Reise als kleinen Spaziergang ...
Andere finden nur Traurigkeit
auf ihrer Fahrt durch’s Leben.
Und es gibt wieder andere im Zug,
die immer da und bereit sind,
denen zu helfen, die Hilfe brauchen.
Manche hinterlassen beim Aussteigen eine immerwährende Sehnsucht.
Manche steigen ein, und wieder aus,
und wir haben sie kaum bemerkt.
Es erstaunt uns,
dass manche der Passagiere, die wir am liebsten haben,
sich in einen anderen Wagon setzen.
Und uns die Reise in diesem Abschnitt alleine machen lassen.
Selbstverständlich lassen wir uns nicht davon abhalten,
die Mühsal auf uns zu nehmen, sie zu suchen und uns zu ihrem Wagon durchzukämpfen.
Leider können wir uns dann doch nicht zu ihnen setzen,
da der Platz an ihrer Seite schon besetzt ist.
So ist das Leben.
Voll an Herausforderungen, Träumen, Fantasien, Hoffnungen und Abschieden,
aber ohne Wiederkehr.
Machen wir die Reise durch’s Leben so gut wie wir es können.
Versuchen wir mit allen im Zug gut auszukommen,
und sehen wir in jedem von ihnen das Beste.
Erinnern wir uns daran, dass in jedem Abschnitt der Strecke
einer der Gefährten schwanken kann und möglicherweise
unser Verständnis braucht.
Auch wir werden schwanken und
es wird jemand dasein, der uns versteht.
Das große Mysterium der Reise ist,
dass wir nicht wissen, wann wir endgültig aussteigen werden,
und genauso wenig, wann unsere Mitreisenden aussteigen werden,
nicht einmal die, die direkt neben uns sitzen.
Ich werde wehmütig sein,
wenn ich aus dem Zug für immer aussteige.
Ich glaube, die Trennung von einigen Freunden,
die ich während der Reise traf, wird sehr weh tun.
Meine Liebsten alleine zu lassen, wird mich sehr traurig machen.
Aber ich habe die Hoffnung, dass irgendwann der Zentralbahnhof kommt.
Dann werde ich sie ankommen sehen, mit Gepäck,
das sie beim Einsteigen noch nicht hatten. Das wird mich froh stimmen.
Was mich glücklich machen wird,
ist der Gedanke, dass ich mitgeholfen habe,
ihr Gepäck zu vermehren und ich die richtigen Inhalte
hinein getan habe.
Schauen wir darauf, dass wir eine gute Reise haben
und dass sich am Ende die Mühe gelohnt hat.
Versuchen wir,
dass wir beim Aussteigen einen leeren Sitz zurücklassen,
der Sehnsucht und schöne Erinnerungen bei den Weiterreisenden hinterläßt.
Ich wünsche allen eine ’Gute Reise’
Verfasser unbekannt
Das Lied des Lebens Jack Kornfield
In Ostafrika lebt ein Stamm, in dem die Kunst der wahren Nähe schon lange vor der Geburt gepflegt wird. In diesem Stamm ist das Geburtsdatum des Kindes nicht identisch mit der körperlichen Geburt, nicht einmal mit dem Tag der Empfängnis, wie in anderen Stammeskulturen. Für sie ist der Tag der Geburt derjenige, an dem das Kind zum erstenmal als Gedanke im Geist seiner Mutter erscheint. Mit der Bereitschaft, ein Kind von einem bestimmten zukünftigen Vater zu empfangen, verläßt die Mutter ihr Dorf und setzt sich unter einen Baum. Dort lauscht sie so lange, bis sie das Lied des Kindes hört, das sie zu empfangen hofft. Sobald sie es gehört hat, geht sie nach Hause und lehrt es den Vater, so daß sie es gemeinsam singen und das Kind einladen können, wenn sie es zeugen. Ist die Mutter schwanger geworden, singt sie es für das Kind in ihrem Leib. Dann lernen auch die Frauen und Hebammen im Dorf das Lied dieses Kindes, um es während der Entbindung und im wunderbaren Augenblick der Geburt damit begrüßen zu können. Nach der Geburt lernen alle Dorfbewohner das Lied ihres neuen Stammesmitglieds; sie singen es, wenn das Kind hinfällt und sich weh tut, und sie singen es während der Rituale und Initiationen. Dieses Lied ist auch Teil der Heiratszeremonie, wenn das Kind erwachsen ist, und am Ende seines Lebens versammeln sich seine Lieben am Totenbett und singen sein Lied ein letztes Mal.
Die guten Eigenschaften Jack Kornfield
Vor einigen Jahren hörte ich von einer Geschichtslehrerin am Gymnasium, die dieses Geheimnis offensichtlich ebenfalls kannte. Eines Nachmittags, als ihre Klasse besonders unruhig und unaufmerksam war, sagte sie ihren Schülern, sie sollten jetzt alle schulischen Aufgaben sein lassen. Während sie den Namen jedes Einzelnen von ihnen an die Tafel schrieb, durfte sich die Klasse ausruhen. Als sie fertig war, sollten die Schüler die Liste abschreiben und neben jedem Namen etwas vermerken, was sie an diesem Mitschüler bewunderten oder schätzten. Am Ende der Stunde sammelte sie alle Blätter ein.
Wochen später, als kurz vor den Weihnachtsferien wieder ein besonders schwieriger und unruhiger Tag anstand, bat sie die Klassewieder, alles sein zu lassen, was mit der Schule zu tun hatte. Dann gab sie jedem Schüler ein Blatt, das mit seinem Namen überschrieben war. Darunter standen alle 26 positiven Eigenschaften, die die anderen in der Klasse ihm beziehungsweise ihr zugeordnet hatten. Und die Schüler lachten und freuten sich, weil man ihnen so viel Gutes zutraute.
Drei Jahre später erhielt diese Lehrerin einen Anruf von der Mutter eines ihrer früheren Schüler. Robert war immer der Klassenclown gewesen, aber auch immer einer ihrer Lieblingsschüler. Seine Mutter machte der Lehrerin die traurige Mitteilung, dass er leider im Golfkrieg gefallen war. Die Lehrerin ging zur Beerdigung, bei der einige von Roberts früheren Schulfreunden und Klassenkameraden einen kurzen Nachruf sprachen. Als der Gottesdienst zu Ende war, kam Roberts Mutter auf die Lehrerin zu. Sie holte ein ziemlich zerfleddertes Blatt Papier heraus, das offensichtlich oft und oft auseinander- und wieder zusammengefaltet worden war, und hielt es ihr hin: »Dies war eines der wenigen Dinge, die man in Roberts Taschen fand, als das Militär seinen Leichnam barg.« Es war das Blatt, auf dem die Lehrerin jene positiven Eigenschaften notiert hatte, die seine 26 Mitschüler Robert zuschrieben.
Als sie dies sah, traten Tränen in die Augen der Lehrerin und liefen ihr über die Wangen. Ein Mädchen, das neben ihr stand, lächelte und zog ihr eigenes Blatt Papier heraus. Sie erzählte, dass sie dieses tatsächlich immer bei sich trug. Daraufhin berichtete ein anderer Schüler, sein Blatt hänge gerahmt in der Küche. Und die Nächste erzählte, dass sie das Blatt bei ihrer Hochzeitszeremonie vorgelesen hatte. Die Wahrnehmung der eigenen positiven Qualitäten, die diese Lehrerin ausgelöst hatte, hatte die Herzen ihrer Schüler auf eine Weise berührt, von der man gewöhnlich nur träumen kann.
Siddhartha - Hermman Hesse
Danach setzten sie sich, es ging gegen Sonnenuntergang, auf einen Baumstamm am Ufer, und Siddhartha erzählte dem Fährmann seine Herkunft und sein Leben, wie er es heute, in jener Stunde der Verzweiflung, vor seinen Augen gesehen hatte. Bis tief in die Nacht währte sein Erzählen.
Vasudeva hörte mit großer Aufmerksamkeit zu.
Alles nahm er lauschend in sich auf, Herkunft und Kindheit, all das Lernen, all das Suchen, alle Freude, alle Not. Dies war unter des Fährmanns Tugenden eine der größten: er verstand wie wenige das Zuhören. Ohne dass er ein Wort gesprochen hätte, empfand der Sprechende, wie Vasudeva seine Worte in sich einließ, still, offen, wartend, wie er keines verlor, keines mit Ungeduld erwartete, nicht Lob noch Tadel daneben stellte, nur zuhörte. Siddhartha empfand, welches Glück es ist, einem solchen Zuhörer sich zu bekennen, in sein Herz das eigene Leben zu versenken, das eigene Suchen, das eigene Leiden.
Aikido Terry Dobson
An einem schläfrigen Nachmittag im Frühling rasselte und ratterte der Zug durch die Vororte von Tokio. Ein Wagen war vergleichsweise leer – einige Hausfrauen mit ihren Kindern im Schlepptau, ein paar ältere Leute, die einkaufen fuhren. Ich starrte abwesend auf die grauen Häuser und staubigen Heckenreihen.
An einer Station öffneten sich die Türen, und die Nachmittagsruhe wurde plötzlich gestört von einem Mann, der heftige, unverständliche Flüche ausstieß. Der Mann stolperte in unseren Wagen. Er trug Arbeiterkleidung, war groß, betrunken und schmutzig. Schreiend rempelte er eine Frau an, die ein Baby im Arm trug. Der Stoß warf sie um, so daß sie taumelnd auf den Schößen eines älteren Paares landete. Es war ein Wunder, daß dem Baby nichts geschah.
Entsetzt sprangen die beiden älteren Leute auf und machten, daß sie zum anderen Ende des Wagens kamen. Der Arbeiter zielte einen Tritt auf die entfliehende Hinterseite der alten Dame, verpaßte sie aber, während sie sich in Sicherheit flüchtete. Darüber wurde der Betrunkene so wütend, daß er die Metallstange in der Mitte des Wagens packte, um sie aus der Verankerung zu reißen. Ich sah, dass eine seiner Hände einen Schnitt hatte und blutete. Der Zug ruckelte weiter, die Passagiere waren starr vor Angst.
Ich stand auf. Ich war jung damals, vor mehr als zwanzig Jahren, und in recht guter Verfassung. Ich hatte drei Jahre mit stolzenacht Stunden fast täglichem Aikido-Training hinter mir. Ich liebte Werfen und Ringkampf. Ich hielt mich für zäh. Der einzige Haken war, daß mein kampfsportliches Geschick nie in echtem Wettkampf erprobt war. Als Aikido-Schülern war es uns nicht erlaubt zu kämpfen. „Aikido“, hatte mein Lehrer immer wieder gesagt, „ist die Kunst der Versöhnung. Wer Kampf im Sinn hat, hat seine Verbindung mit dem Universum gebrochen. Wenn du versuchst, über Leute zu dominieren, bist du schon geschlagen. Wir lernen, wie wir Konflikte lösen, nicht wie wir sie schaffen.“
Ich hörte seinen Worten zu. Ich gab mir große Mühe. Ich ging sogar auf die andere Straßenseite, um den Chimpira, den an den Bahnstationen herumlungernden Flipper-Punks aus dem Wege zu gehen. Meine Nachsicht war erhebend. Ich fühlte mich hart und
heilig zugleich. Im Herzen wünschte ich mir jedoch eine absolut legitime Gelegenheit, Unschuldige retten und Schuldige zerstören zu können.
„Das ist es!“ sagte ich mir und sprang auf die Beine. Die Leute sind in Gefahr, und wenn ich nicht schnell etwas unternehme, wird es Verletzte geben. Der Betrunkene sah mich aufstehen und nahm mich als Gelegenheit, seiner Wut ein Ziel zu geben. „Aha!“ brüllte er. „Ein Ausländer! Du brauchst eine Lektion in japanischen Manieren!“ Ich hielt mich leicht am Haltegriff über mir fest und musterte ihn langsam mit empört verächtlichem Blick. Ich hatte vor, diesen Rüpel auseinanderzunehmen, aber es war an ihm, den ersten Zug zu machen. Ich wollte ihn ärgern, deshalb schürzte ich die Lippen und machte ihm einen unverschämten Kußmund. „In Ordnung!“ tobte er. „Du wirst deine Lektion erhalten.“ Er rappelte sich zum Angriff auf.
Einen Sekundenbruchteil, bevor er loslegte, schrie jemand gellend „He!“ Ich erinnere mich an den seltsam freudigen, beschwingten Klang – als ob du mit einem Freund etwas lange und ausgiebig gesucht hast, und er stößt plötzlich drauf. „He!“ Ich wandte mich nach links, der Betrunkene taumelnd nach rechts. Wir beide starrten auf einen kleinen alten japanischen Herrn hinunter. Er muß über Siebzig gewesen sein, dieser winzige Gentleman, wie er so makellos in seinem Kimono dort saß. Er beachtete mich nicht, strahlte aber den Arbeiter entzückt an, als ob er ein höchst bedeutsames, willkommenes Geheimnis zu teilen hätte. „Komm her“, sagte der alte Mann in leichtem Dialekt und winkte dem Bet runkenen. „Komm her und rede mit mir“. Er winkte leicht mit der Hand. Der große Mann folgte wie von einer Schnur gezogen. Er stellte seinen Fuß provozierend vor den alten Gentleman und übertöntemit seinem Brüllen das Rattern der Räder: „Warum zum Teufel sollte ich mit dir reden?“ Nun hatte der Betrunkene mir den Rücken zugewandt. Wenn sein Ellbogen auch nur einen Millimeter näherkommt, kann er was erleben!
Der alte Mann strahlte den Arbeiter immerfort an. „Was hast du getrunken?“ fragte er mit interessiertem Funkeln in den Augen. „Saki habe ich getrunken“, brüllte der Arbeiter, „und das geht dich überhaupt nichts an!“ Speicheltropfen spritzten über den alten Mann. „Oh, das ist wunderbar!“ sagte er, „wirklich wunderbar! Weißt du, ich liebe Saki ebenfalls. Meine Frau und ich (sie ist 76, mußt du wissen), wir machen uns jeden Abend eine kleine Flasche Saki warm und nehmen sie mit nach draußen in den Garten, und dann setzen wir uns auf eine alte Holzbank. Wir beobachten den Sonnenuntergang und schauen nach unserem Persimonenbaum. Mein Urgroßvater pflanzte diesen Baum, und wir sind besorgt, ob er sich von den eisigen Stürmen erholt, die wir im letzten Winter hatten. Aber unserem Baum geht es besser, als ich erwartete, besonders wenn man bedenkt, wie karg der Boden ist.
Er ist schön anzusehen, wenn wir dann unseren Saki mit nach draußen nehmen und den Abend genießen – auch wenn es regnet!“ Mit zwinkernden Augen sah er zu dem Arbeiter hoch. Während er sich anstrengte, der Unterhaltung zu folgen, wurden seine Gesichtszüge weicher. Seine geballten Fäuste lockerten sich langsam. „Ja“, sagte er. „Persimonen liebe ich auch...“ Er verstummte. „Ja“, sagte der Alte lächelnd, „und ich bin sicher, du hast eine wundervolle Frau.“
„Nein“, antwortete der Arbeiter. „Meine Frau ist gestorben.“ Ganz sanft, während er mit der Bewegung des Zuges hin- undherschwankte, begann er zu schluchzen. „Ich habe keine Frau, ich habe kein Zuhause, ich habe keine Arbeit. Ich schäme mich so.“ Die Tränen rollten ihm die Wangen hinunter; ein verzweifeltes Zittern fuhr durch seinen Körper. Jetzt war ich an der Reihe. Da stand ich in meiner saubergeschrubbten jugendlichen Unschuld mit meiner „die-Welt-sicher-machen-für-Demokratie-Gerechtigkeit“ und fühlte mich plötzlich viel schmutziger als er.
Da war der Zug an meiner Station angekommen. Als die Türen aufgingen, hörte ich den alten Mann voller Mitgefühl beipflichten: „Owei, owei, das ist wirklich eine problematische Situation. Setz dich her und erzähl mir davon.“ Ich warf noch einen letzten Blickzurück. Der Arbeiter war auf den Sitz gesunken, und sein Kopf lag im Schoß des alten Mannes, der ihm sanft über das filzig matte Haar strich. Als der Zug wieder anfuhr, setzte ich mich auf eine Bank. Was ich mit Muskeln tun wollte, war mit freundlichen Worten erreicht worden. Soeben hatte ich Aikido in Aktion erlebt, und die Essenz davon war Liebe. Ich würde die Kunst in einem völlig anderen Geist ausüben müssen. Es würde noch lange dauern, bevor ich über die Lösung von Konflikten sprechen könnte.
Die Geschichte vom Straßenfeger Michael Ende - Momo
Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang, das kann ich niemals schaffen, denkt man.
Und dann fängt man an sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nichtweniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, und man kriegt es mit der Angst zu tun, und zum Schluss ist man ganz aus der Puste. Und man kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem.
So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken. Verstehst Du? Man muss nur an den nächsten Besenstrich und immer wieder nur an den nächsten denken. Dann macht es Freude, dann ist es richtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.
Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht aus der Puste. Das ist wichtig.
Die Senfkörner Buddha
Vor langer Zeit lebte in Indien in einem kleinen Dorf eine junge Frau namens Kisa. Sie verliebte sich, heiratete und war sehr glücklich mit ihrem Mann. Bald bekamen sie einen Sohn, den sie beide sehr liebten. Als der Junge zweieinhalb Jahre alt war, erkrankte er jedoch plötzlich und starb. Kisas Welt brach zusammen. Von ihrer Trauer überwältigt, wollte sie nicht glauben, dass ihr Junge wirklich tot sein sollte. Sie nahm den kleinen Leichnam in ihre Arme und ging mit ihm durch das ganze Dorf, fragte überall verzweifelt nach einer Medizin, die den Jungen heilen könnte. Schließlich führte ihr Weg zu Buddha, und sie bat ihn um seine Hilfe.
Buddha schaute Kisa mit vollem Mitgefühl an und sagte: „Ich werde dir helfen, aber zuvor benötige ich eine Handvoll Senfkörner.“
Als Kisa hoffnungsvoll sofort zusicherte, sie sei bereit alles zu tun, um die benötigte Menge Körner zu besorgen, entgegnete Buddha, „Aber die Körner müssen aus einer Familie stammen, in der niemand sein Kind, seinen Partner oder seine Eltern verloren hat. Alle Körner müssen aus einem Haus sein, wo der Tod noch nie zu Besuch war."
Kisa ging von Haus zu Haus und fragte nach Senfkörnern. Doch in jedem Haus erhielt sie die gleiche Antwort. „Natürlich können wir dir Senfkörner geben, aber es gibt bei uns weniger Lebende als schon Verstorbene.“ Jeder hatte entweder die Mutter oder den Vater, seine Frau oder den Mann, den Sohn oder die Tochter verloren. Sie besuchte viele Familien und hörte immer wieder von verschiedenen Verlusten.
Nachdem sie jedes Haus im Dorf besucht hatte, öffneten sich ihre Augen und sie verstand, dass niemand in seinem Leben von Verlust und Trauer verschont bleibt, und dass sie nicht alleine war. Ihre Trauer verwandelte sich in Mitgefühl für alle anderen trauernden Menschen. Jetzt war sie in der Lage, sich von ihrem Sohn zu verabschieden und ihn zu beerdigen.
Schwester öffne deine Augen Gedanken einer Sterbenden
Schwester, was seht ihr, was seht ihr?
Was denkt ihr, wenn ihr mich anseht?
Eine verbitterte, verwirrte alte Frau, nicht sehr weise,
unsicher in ihrem Verhalten, ihren Bewegungen,
leeren, weit blickenden Augen.
Eine Frau, die beim Essen sabbert.
Eine Frau, die keine Antwort gibt, wenn du mit lauter Stimme sagst:
„Ich möchte, dass Sie es versuchen!“
Sie scheint die Dinge um sich herum nicht zu bemerken.
Sie scheint immer etwas zu vermissen, etwas verloren zu haben,
einen Strumpf, einen Schuh oder irgendetwas anderes.
Sie lässt dich tun, was du willst, ob sie will oder nicht.
Mit Baden und Füttern wird der Tag ausgefüllt.
Ist es das was du denkst, was du siehst?
Dann öffne deine Augen Schwester! Du siehst mich gar nicht!
Ich will erzählen, wer ich bin, auch wenn ich hier so still sitze,
gewöhnt an deine Befehle, deinen Willen über mich ergehen lasse, alles schlucke.
Ich bin ein kleines Kind, eines von zehn Kindern, mit Vater und Mutter,
Brüdern und Schwestern, die einander lieb haben.
Ein junges Mädchen von sechzehn Jahren mit Flügeln an den Füßen,
träumend, dass es bald einen Liebhaber finden wird oder treffen.
Eine Braut schon mit 20 Jahren – mein Herz macht einen Sprung,
wenn ich an den Treueschwur denke, den ich versprach zu halten.
Mit fünfundzwanzig habe ich eigene Kinder, die mich brauchen,
die ich beschützen muss. – Glückliches Zuhause!
Eine Frau von dreißig Jahren, meine Kinder werden schnell groß.
Sie gehen dauernde Bindungen ein.
Mit vierzig Jahren, meine Söhne sind nun erwachsen und wollen eigene Wege gehen.
Aber mein Mann ist noch bei mir und nimmt mir die große Traurigkeit.
Mit fünfzig Jahren spielen wieder Kinder um mich herum,
wir lieben sie, und sie lieben uns.
Schwere Tage kommen über mich, mein Mann stirbt.
Ich sehe in die Zukunft. Es schaudert mich vor Angst und Schrecken.
Meine Kinder sind mit ihrem eigenen Leben und der Erziehung ihrer eigenen Kinder beschäftigt.
Ich denke an die Jahre und die Liebe, die ich erlebt habe.
Nun bin ich eine alte Frau. Die Natur ist grausam.
Sie scheint sich über das Alter lustig zu machen.
Der Körper ist verschrumpelt, Anmut und Kraft sind dahin.
Da, wo früher ein Herz war ist jetzt Stein.
Aber im inneren dieser alten Hütte wohnt immer noch das Junge Mädchen.
Und jetzt und immer wieder schwillt mein mitgenommenes Herz.
Ich denke an die Freude, ich denke an den Schmerz,
und ich liebe das Leben immer, immer wieder.
Ich denke an die wenigen Jahre, die Schnell vergangen sind.
Ich nehme die nackte Tatsache hin – nichts kann immer dauern!
Schwester, öffne deine Augen! Öffne sie – und sieh!
Schau nicht auf irgendeine unsichere alte Frau.
Schau ganz genau hin – Schau auf mich!